Mellrichstadt, 31. August 2006

Pressebericht von der Sitzung des FDP-Kreisvorstands

Örtliche Probleme und Fragen der „hohen Politik“ waren Gegenstand der Aussprache in der FDP Kreisvorstandschaft Rhön-Grabfeld. Klaus Ginkel, der als geschäftsführender Kreisvorsitzender die Sitzung leitete, sprach sich entschieden für eine konsequente Politik zugunsten der ländlichen Räume aus. Ohne gesundes Land gebe es auch keine intakten Metropolen und umgekehrt. Das Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen, wie auch im fortgeschriebenen Landesentwicklungsprogramm für Bayern vollmundig proklamiert, sei in unserem Bundesland bei weitem nicht erreicht. 80 % des Gebietes des Freistaates könne man als „wirtschaftlich schwach“ charakterisieren. Anders sehe es im Großraum München (mit Regensburg und Ingolstadt), in Teilen Mittelfrankens, Niederbayerns, Schwabens und Oberfrankens (Bamberg) aus. Es gebe ein krasses innerbayerisches Entwicklungsgefälle hier boomtown, dort Düsterniss. Dies sei ein unwiderlegbarer Bewies für das große Versagen der CSU-Politik seit 1957. Wenn Ministerpräsident Dr. Stoiber das hohe Lob der Volksparteien im Munde führe, müsse er sich fragen lassen: „wo bleibt die Problemlösungskompetenz der sogenannten Volksparteien?“ Die Minister in Berlin seien nicht einmal fähig, die sie betreffenden Fragen und Entscheidungen eigenständig zu lösen. In Bayern dauern Sozialgerichtsverfahren 3-5 Jahre. Selbst einfache Dinge wie die geplante Privatisierung der Bahn blieben in Vorbereitung und Vollzug ein Torso.. Kommunalpolitisch seien mehr Visionen wünschenswert. In Rhön-Grabfeld werde weithin der status-quo verwaltet. Eine Politik des Weiter-So sei jedoch ein Weg ins Abseits. Es müsse vielmehr Neues gewagt werden. Wo bleiben in unserer engeren Heimat Modell-Projekte, wo neue Akzente? Die politisch Mächtigen seien zwar mit sich selbst im reinen, aber für die Bevölkerung komme viel zu wenig „rüber“. Wenn man den hohen Anteil der Hauptschulabgänger sehe, die noch ohne Lehrstellen sind, müsse man erschrecken. Zwar könne Politik nicht selbst Arbeitsplätze und Lehrstellen in Masse schaffen, aber man könne die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Warum habe das österreichische Bundesland Tirol eine Arbeitslosenquote, die im Vergleich zu Bayern um 2/3 niedriger liegt ? In der bayerischen Politik gelte: „Selbstbeweihräucherung groß, Taten und Erfolge klein“.

Thilo Schallenkammer beklagte die abnehmende Bürgernähe auch auf dem „flachen Land“. Schließung von Schulen, geringere Dichte an Poststellen, kürzere Öffnungszeiten allüberall, abnehmende Präsenz der örtlichen Kreditinstitute in der Fläche, Orte ohne Gaststätte und Lebensmittelladen, mehr Bürgerferne auch der Kommunalverwaltungen. Kurzum die privaten und öffentlichen Versorgungseinrichtungen zögen sich immer mehr aus kleineren Gemeinden und Ortsteilen zurück. .Hinzu komme gerade in Rhön-Grabfeld die Schließung von zwei Kreiskliniken, der Verlust der Bundeswehr-Garnison in Mellrichstadt sowie die Auszehrung in wichtigen Teilen des Mittelstandes. Er denke vor allem auch an die Landwirtschaft. Wo früher 30 oder 40 Familien ihr Auskommen hatten, gibt es heute nur noch 3 Haupterwerbsbetriebe. Eine weitere drohende Gefahr seien noch bestehende öffentliche Unternehmen, die aber irgendwann in einer größeren Einheit aufgehen (Fusion). Rhön-Grabfeld drohe dann erneut die „loser-Karte“. Von feuilletonistischen Einlassungen und Sonntagsreden von Abgeordneten könne die Landbevölkerung nicht leben. Wichtig sei es, neue Wertschöpfungsketten zu eröffnen. Das Beispiel der „Bionade“ mache anschaulich, dass neue Ideen zu neuen marktgängigen und –fähigen Produkten führen könnten, die wiederum Investitionen und Arbeitsplätze auslösen. Die Rhön als Wirtschafts-, Kultur- und Naturraum bietet ein reiches Potenzial sowohl im warenproduzierenden Gewerbe als auch im Tourismus und im Dienstleistungssektor.Bad Neustadt, als Kompetenzzentrum für Gesundheit, sei ein positives Beispiel. Hinzu kommen die kulturellen Schätze, die unsere Heimat besitzt. Kurzum: Die Rhön verdient ein professionelleres Marketing und ein Top-Regionalmanagement. Hier lägen noch einige Produkt- und Verfahrensinnovationen im Feuer, die viele Chancen bieten.

Die höhere Politik sprach Helmut Bähringer an. Er verwies auf den geplanten Einsatz der Bundeswehr zur Befriedung im Libanon. Die FDP-Partei- und Fraktionsführung in Berlin lehne derzeit einen Bundeswehr-Einsatz aus guten Gründen ab. Es fehle im Nahen Osten insbesondere ein überzeugendes Konzept, das Palästina und auch Syrien einschließt. Bekanntlich verderben viele Köche den Brei, auch in der internationalen Politik! Hinzu kämen die Erfahrungen mit den Bundeswehreinsätzen im Kongo, in Afghanistan, im Kosovo und Somalia. Wann werde endlich eine politische Lösung für Kosovo präsentiert ? Soll dies ewig dauern? Warum baut Kasai in Afghanistan nicht endlich eine eigene Armee auf, die für Ordnung sorgt und mit den Drogenbaronen aufräumt. Soll Deutschland nun endlose Jahre den Lückenbüßer spielen? Die Karre sei im Nahen Osten fast unlösbar „verfahren“. Auch Israel, das eine sichere Existenz verdient und auf unseren Beistand rechnen können muss, verhalte sich leider nicht konstruktiv und trage durch Überreaktion und teilweise auch Provokation nicht zur Lösung bei.
Wichtig sei es, einen Palästinenserstaat zu schaffen, der lebensfähig und friedfertig nach Innen wie nach Außen ist und vor allem Israel anerkennt. Kurzum: Die Feindschaft der Semiten und Hamiten müsse beendet werden. Natürlich könne man sich unter guten Voraussetzungen einen Bundeswehr-einsatz im Libanon vorstellen. Er nannte die Stichworte: Marine, Luftwaffe (Aufklärung), Bomben- und Minenräumung, medizinische und Aufbauhilfe, Hilfen bei Ausbildung von Militär und Polizei. Landtruppen sollte man nicht entsenden. Für sie wäre dies äußerst problematisch und höchst gefährlich. Für eine Mitwirkung Deutschlands auf den anderen Feldern müssten jedoch die Rahmenbedingungen „stimmen“.

Als örtliches Problem sprach Helmut Bähringer die fehlende Hochwasserfreilegung im Bereich der oberen Milz und Saale an. Die globale Klimaerwärmung mache sich auch bei uns bemerkbar. Höchheim, Waltershausen und Saal leiten teilweise extrem unter Hochwasser. Es sei allerdings so, dass in den genannten Gemeinden jeweils nur ein Teil der Bevölkerung extrem beeinträchtigt wird. Eine gut konzipierte Hochwasserfreilegung sei daher dringend geboten. Sie dürfe nicht auf die lange Bank geschoben werden.

Thilo Schallenkammer sprach die Gesundheitspolitik des Bundes an. Nicht alle Ansätze der Großen Koalition seien falsch, aber es fehle im Konzept die Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit. Zuviel Geld versickert wirkungslos. Es werde den Lobbyisten zuviel Spielraum gelassen und Gehör geschenkt. Die Alternative liegt auf der Hand: mehr Wettbewerb und mehr Markt. Und vor allem: privat geht vor Staat. Als oberstes Gebot müsse das Wohl des Patienten verankert werden. Er zahlt die Beiträge, er ist folglich der „Kunde“. Und anderswo ist der „Kunde König“. Warum nicht im Gesundheitssystem? Die Anbieter im Gesundheitswesen verdienen überwiegend sehr gut, um so mehr hätten sie die Pflicht, für das gute Geld der „Kunden“ (Patienten) auch eine exzellente Gesundheitsdienstleistung zu erbringen.

Gastwirt Volker Salzinger, Haus Thüringen, der das Haus aaufgrund der traurigen Gegebenheiten (Schließung der Garnison) alsbald verläßt, berichtete von seinem bevorstehenden Umzug nach Bad Königshofen. Am Beispiel der Immobilie Haus Thüringen, so ergab die Diskussion, zeige sich wiederum die Konzeptionslosigkeit der öffentlichen Hände bei der Verwaltung von Grundstücks- besitz und Firmen-Beteiligungen. So weit man sieht, steht ein Abriss oder Rückbau des Gebäudes zur Diskussion. Diese Entwicklung wurde von den Liberalen sehr bedauert. Klaus Ginkel zu Salzinger “Sie sind ein sehr guter Wirt, erfreulicherweise bleiben Sie dem Landkreis erhalten“.

Mit Terminabsprachen und internen Fragen wurde die Sitzung, wie geplant, nach 2 Stunden beendet.


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