8. April 2024

Psychische Erkrankungen lassen sich nicht durch Bürokratie einschüchtern! – Anders als der Erkrankte

Basierend auf epidemiologischen Studien sind in Deutschland jedes Jahr 27,8\% der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen oder psychosomatischen Krankheit betroffen. Psychische Krankheiten gehen mit Veränderungen des Denkens und Fühlens, der Wahrnehmung, des Gedächtnisses oder auch des Verhaltens einher, weshalb sie für Betroffene auf alle Lebensbereiche, etwa auf die Produktivität an dem Arbeitsplatz oder das Privatleben, gravierende Einschränkungen bedeuten. Glücklicherweise existieren in Deutschland einige psychiatrische und rehabilitierende Einrichtungen, die diverse Angebote auf ambulanter oder stationärer Basis anbieten. Um diese wahrzunehmen, ist der Betroffene jedoch gezwungen, einen Berg der Bürokratie zu erklimmen, der durch Intransparenz, Komplexität, Ineffizienz und erforderlichem Fachwissen, das jedoch zumeist nur durch entsprechendes psychotherapeutisches Personal eingebracht werden kann, geprägt ist.

Für die meisten psychisch erkrankten Menschen stellt diese bürokratische Hürde ein existenzielles Problem dar, denn die verfügbaren Pflegeangebote sind in vielen Fällen die letzte Hoffnung auf eine adäquate Behandlung. Letzteres verstärkt sich insbesondere durch den Mangel von Psychotherapeuten, deren Verfügbarkeit für den Behandlungsfortschritt signifikant ist. Kurz- bis mittelfristig zeichnet sich der Trend ab, dass der Nachwuchs an Psychotherapeuten abnimmt, währenddessen die Zahl der psychisch Erkrankten simultan zunimmt. Neben dem umfassenden Antragsverfahren für die Aufnahme einer ambulanten bzw. stationären Behandlung, das u. a. auch Fragen über Diagnose(n) sowie andere fachliche Themenkomplexe stellt, sind die Betroffenen mit weiteren bürokratischen Angelegenheiten konfrontiert, die etwa den Erhalt einer monetären Unterstützung, wie beispielsweise der Erwerbsminderungsrente, während Therapiedauer zusichern sollen. Meist sind einige Interessensgruppen beteiligt, was die Prozesse unübersichtlich und unkoordiniert gestaltet.

Eine fundamentale Forderung soll darin bestehen, im ersten Schritt ein bayernweites, digitalisiertes Bürokratiemodell zu schaffen, dessen Grundfunktionalität auf der bundesweiten Ebene durch die anderen Bundesländer ebenso genutzt werden kann. Auf diese Weise schaffen wir ein einheitliches, verständliches und für jeden Bundesbürger transparentes Antrags- und Bürokratiemodell.

Das Konzept der Bürokratiereform

Eine zentral organisierte Bürokratie-Plattform

Das Fundament der Bürokratiereform soll eine zunächst bayernweite Bürokratieplattform bilden, die grundsätzlich alle nötigen Antragsprozesse aggregiert und für den Nutzenden übersichtlich gestaltet. Um diese nutzen zu können, soll eine anfängliche und einmalige Registrierung erfolgen, die insbesondere diejenigen personenbezogenen Daten abfragt, die für die meisten Antragsformulare benötigt werden. Zusätzlich soll diese Plattform den folgenden Prinzipien folgen, die einen Beitrag für eine gesteigerte Effizienz während der Nutzung darstellen sollen.

  • Verständlichkeit: Die Plattform und die damit verbundenen Antragsformalien sowie weiteren Funktionen müssen für die Bürger verständlich werden. Bereits eine Vielzahl unterschiedlicher Studien und Umfragen, die in jüngster Vergangenheit erhoben wurden, belegen, dass die Verwaltungssprache, die noch immer Anwendung findet, bei dem erheblichen Großteil der Bürger auf Unverständnis trifft. Eine Konsequenz, die sich für viele daraus ergibt: Sie füllen wichtige Antragsdokumente wegen zu hoher fachlicher und sprachlicher Komplexität nicht aus.
  • Übersichtlichkeit: Die weiterführende Grundlage der Plattform muss darauf ausgerichtet sein, für eine breite Zielgruppe konzipiert zu sein, die unterschiedliche Altersintervalle beinhaltet. Aus diesem Grund muss die Übersichtlichkeit über die Funktionen der Plattform gewährleistet sein. Dazu soll vor allem ein modernes, simplifiziertes und einheitliches Applikationsdesign verwendet werden, das durch farbliche und den Text unterschiedlich gestaltete Elemente für mehr Übersichtlichkeit und Transparenz sorgen soll.
  • Vollständigkeit: Die Plattform soll alle notwendigen Funktionen sowie Antragsformulare beinhalten, sodass bei der Nutzung dieser keine weiteren externen Netzwerke, etwa komplementär zu nutzende Internetseiten, erforderlich sind.
  • Digitale Barrierefreiheit: Auch physisch sowie psychisch eingeschränkte Menschen, etwa blinden oder gehörlosen Bürgern, muss es möglich sein, dass sie die Plattform nutzen können. Dies soll durch eine adäquate digitale Barrierefreiheit sichergestellt werden, etwa durch Funktionen wie das laute Vorlesen der jeweiligen Funktionen und Inhalte. Darüber hinaus soll die Plattform zunächst in den beiden Sprachen Deutsch und Englisch verfügbar werden. Bei Bedarf weiterer Sprachen können diese perspektivisch ergänzt werden.

Intelligente Führung der Plattform

Eine fundamentale Kritik, die aus einigen Umfragen hervorgeht, ist die fehlende Bürgernähe. Ein Grund für ihre Abwesenheit stellt die Komplexität der Antragsverfahren und der darin verwendeten Verwaltungssprache in Verbindung mit den Fachbegriffen dar. Um den Betroffenen das Verständnis zu erleichtern, soll ein intelligentes, jederzeit verfügbares und interaktiv nutzbares Assistenzsystem implementiert werden, das neben einer vereinfachten Erklärung der benötigten und rechtssicheren Fachbegriffe auch Auskunft über Antragsverfahren sowie die nächsten Schritte des Antragsprozesses gibt, sodass der Nutzende jederzeit den aktuellen Status einsehen und abschätzen kann, welche Schritte als nächstes folgen.

Automatisch ausgewählte Antragsverfahren auf Basis der angegebenen Daten bei Registrierung

Es existieren verschiedene Parameter, die einen Einfluss auf den entsprechenden bzw. adäquaten Antragsprozess ausüben, etwa die bereits in Erwerbstätigkeit verbrachten Zeitdauer. So kann beispielsweise die Deutsche Rentenversicherung als Kostenträger der therapeutischen Maßnahme beansprucht werden, wenn in den vergangenen zwei Jahren vor der Antragsstellung mindestens in sechs Monaten Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden. In anderen Fällen soll die jeweilige Krankenkasse konsultiert werden. Dadurch erhöht sich die Komplexitat bereits vor dem tatsächlichen Formularprozess in erheblichem Maße.

Folglich soll die Plattform durch einen intelligenten Algorithmus automatisch auf Basis der während der Registrierung eingegebenen Daten ermitteln, welcher Kostenträger, etwa die jeweilige Renten- oder Krankenkasse, für den Betroffenen relevant wird. Darüber hinaus muss dieser Algorithmus außerdem aus Gründen einer vereinfachten Nutzung selbstständig anhand der umfangreichen Erfassung der relevanten Daten sowie der individuellen Situation ermitteln, welche weiteren Anträge, etwa auf den Erhalt einer Frühverrentung oder des Arbeitslosengeldes Stufe 1, potenziell infrage kommen. Der Nutzende kann dann selbst entscheiden, welche dieser vorgeschlagenen Prozesse ausgenutzt werden möchten.

Zusammenwirken aller beteiligten Interessensgruppen

Während der Antragsprozesse ist es möglich, dass verschiedene Kostenträger in gegenseitiger Interaktion stehen, etwa die Renten- und Krankenkasse. Aufgrund dessen müssen alle Interessensgruppen, die in dauerhaftem und unmittelbarem Kontakt zu dem psychisch Erkrankten stehen, ebenso durch die Plattform eingebunden und integriert werden. Auf diese Weise ist es nicht mehr nötig, etwaige Antragsformulare postalisch und selbstständig an die jeweilig relevante Stelle zu versenden, sondern automatisiert über die Plattform abzuwickeln. Ein Vorteil entsteht unmittelbar daraus, dass alle relevanten Dokumente zentral gesammelt und jederzeit übersichtlich zur Verfügung gestellt werden können. Jedoch darf die endgültige Speicherung nicht bei der Krankenkasse erfolgen.

Datenschutz als hohe Priorität

Da es sich bei dem Ausfüllen bestimmter Antragsformulare neben persönlichen und beruflichen auch um gesundheitliche Daten handelt, die nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO eine besondere Kategorie personenbezogener Daten darstellen, muss sichergestellt werden, dass der Plattform ein hoher Sicherheitsstandard inhärent ist.


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